Tessiner Edelsteine

Chrompyrop und Chromdiopsid von der Alpe Arami (Gorduno TI)

Max Weibel*

WO LIEGT ARAMI?

Die heute nicht mehr ständig genutzte Alp liegt über Gorduno, in der Luftlinie fünf Kilometer nordwestlich von Bellinzona. Von Gorduno (250 m) am rechten Hangfuss der Riviera führt heute ein schmales, asphaltiertes Strässchen in vielen Kurven nach Bedretto (1293 m), dann auf steiniger Naturpiste bis zu einem Wasserreservoir, von wo man die beiden Alphütten (1446 m) in einer Viertelstunde zu Fuss erreicht. Nun steht man am Rand des ungewöhnlichen Gesteinskörpers, der hier in der Bergflanke fremdartig zwischen den hellen Gneisen auf einer Ost-West-Erstreckung von rund einem Kilometer aufraucht.

Die Alpe Arami stellt ein klassisches und weltbekanntes Vorkommen von Granat-Olivinfels und Eklogit (Granat + hellgrüner Pyroxen) dar. Die interessanten Fundstellen von blutrotem Chrompyrop (Granat) und smaragdgrünem Chromdiopsid (Pyroxen) liegen im Wald und in den Abstürzen zum Val di Gnosca verstreut, schwer auffindbar, vielfach von der Bodenschicht ganz verdeckt. Die Orientierung im Bergwald ist schwierig, und das steile Gelände erheischt grösste Vorsicht bei der Begehung. Ob man nun etwas findet oder nicht, das Steinsuchen ist gebührenpflichtig (Patent beim Museo cantonale di storia naturale, 6900 Lugano erhältlich).

*ehemals Professor für spezielle Mineralogie an der ETH Zürich

GEOLOGISCHE THEORIEN

Die Berge nordwestlich von Bellinzona zwischen Verzascatal und Riviera bauen auf Gesteinen auf, die im Süden steil einfallen und gegen Norden in Flachlage umbiegen. Marmorbänke lassen die Simano-Decke im Unterbau von der Cima-Lunga-Decke in der Hochregion unterscheiden. Das Tessintal nördlich und südlich von Biasca gehört zu einem noch tieferen Stockwerk, der Leventina-Decke. In der Cima-Lunga-Decke erscheinen zahlreiche Linsen basischer und ultrabasischer, hochmetamorpher Gesteine. Die bekannteste Linse, die von Alpe Arami, besteht hauptsächlich aus metamorphem Granat-Peridotit (Lherzolith), der am Rand von einem Eklogitsaum umgeben ist. Die granatreichen Horizonte deutet man als frühere Pyroxenschichten, in denen später Granat durch Hochdruckmetamorphose neu entstand. Im Zentrum der kilometergrossen Linse ist der Pyropgranat noch stellenweise frisch, gegen aussen erscheinen nur mehr Pseudomorphosen nach dem früheren Granat, die hauptsächlich aus Chlorit bestehen.

Der ungewöhnliche Chromgehalt einzelner Mineralien, vor allem aber der Mineralbestand der Gesteine stützen die Vorstellung, dass der Peridotit von Alpe Arami ein Stück Erdmantel repräsentiert und vor 30 Millionen Jahren aus 80 Kilometer Erdtiefe allmählich hochgeschoben wurde. Chrompyrop und Chromdiopsid finden sich als Einschlüsse in den südafrikanischen Diamanten (150 Kilometer Erdtiefe), und in den böhmischen Pyropen (Trebnitz) soll auch ganz vereinzelt Diamant vorgekommen sein. Auf Alpe Arami ist Diamant hingegen nicht bekannt.

PYROP (Mg-A2-Granat)

Pyrop ist das auffälligste Mineral im Gesteinskörper von Alpe Arami und schon lange bekannt, findet sich aber nur in einzelnen Horizonten angereichert. Die erbsen- bis haselnussgrossen, meist rissigen und trüben Körner von blutroter Farbe enthalten bis 2 % Chromoxid, die Hauptursache der intensiven Farbe. Klare Partien ergeben geschliffene Steine von kaum über einem Zehntelkarat. Solche Winzlinge haben nur für den Kuriositätensammler einen Wert, während indessen das Gesamtgestein sehr attraktiv und von wissenschaftlichen Sammlungen begehrt ist.

Früher war es anders. Es wird erzählt, dass faustgrosse Pyrop-Granate von Gorduno im 16. Jahrhundert in Mailand als Rohmaterial für Schmuck dienten. In der über 300 seitigen Dissertation Nr.2151 der ETH Zürich von Enzio dal Vesco steht, dass ein Herr Pometta in den Geschichtsarchiven von Mailand interessante Unterlagen aufgestöbert und Auszüge davon C. Taddei übergeben hätte.

"Aus Platzgründen", so entschuldigt sich der Autor, hätte er nichts in seine voluminöse Doktorschrift aufnehmen können. Heute die drei Herren zu fragen ist nicht mehr möglich,

sie sind gestorben.

Schade! Lieber würde man einiges über die Geschichte der Pyrope von Gorduno nachlesen anstelle der langatmigen Gesteinsbeschreibungen, die heute durch neue Arbeiten an Aktualität verloren haben. Wo sammelten die Mailänder ihre Granatkristalle? Auf der Alpe Arami oder im Bachbett des Riale di Gnosca am Austritt in die Riviera, wie hier die Talebene des Ticino heisst? Wo sind die faustgrossen Exemplare her, von denen dal Vesco spricht?

CHROMDIOPSID-KATZENAUGE

Dies ist der sensationellste Neufund auf Alpe Arami. Diopsid mit wechselndem Chromgehalt (bis 2 % Chromoxid) gehört zu den Gemengteilen des Olivinfelses und erscheint ausserdem als kompakte, smaragdgrüne Partien auf schmalen Adern. Das Material zeigt, wenn richtig orientiert, eine ausgezeichnete Chatoyance (Katzenaugeneffekt) in halbkugelig geschliffenen Steinen, sogenannten Cabochons.

Ursache dieses optischen Phänomens sind unzählige parallele Amphibolblättchen im Diopsid, die als Entmischung während Abkühlung und Druckentlastung des Gesteins gedeutet werden.

Der Amphibol entspricht in der Zusammensetzung einer Mischung von chromhaligem Edenit und Pargasit. Die Blättchen sind streng parallel zu (010) mit gemeinsamer c-Achse von Amphibol und Diopsid. Die Schichtdicke variiert vom Mikrometerbereich (mikroskopisch sichtbar) bis zum Nanometerbereich (Grösse der Elementarzellen). An den lamellenähnlichen Einschlüssen wird parallel einfallendes Licht derart gestreut, dass es durch die halbrunde Oberfläche in einem über der Steinoberfläche schwebenden Lichtband gesammelt wird. Das Lichtband liegt quer zu den Amphibolblättchen und huscht in derselben Richtung über den Stein, in der man ihn kippt. Die Entmischung im Chromdiopsid von Alpe Arami ist 1978 genauer beschrieben worden (siehe japanische Arbeit im Kasten). Es erscheint beinahe unglaublich, dass bisher niemandem die hervorragende Chatoyance aufgefallen ist, auch wenn sich gut geeignete Stücke extrem selten finden. Kommt es, dass sich die moderne Wissenschaft nicht mehr für die Mineralbeschreibung interessiert? Welcher im Feld arbeitende Geologe weiss, was ein Katzenauge ist?

Chromsiopsid in Granat-Olivinfels der Alpe Arami TI

Doppelketten der Amphibolstruktur im Chromdiopsid-Katzenauge der Alpe Arami. Hochauflösungs-Transmissions-Elektronenmikroskopie 3 000 000 x. nm=millionstel Millimeter

Foto: Festkörperphysik ETH Zürich

Chromdiopsid-Katzenauge von Alpe Arami, Durchmesser 9 Millimeter, Gewicht 2.3 Karat. Dies ist ein neuer Edelstein für die Schweiz, zugleich einer der hervorragendsten unseres Landes überhaupt, in der Qualität mit den besten burmesischen Chromdiopsid-Katzenaugen vergleichbar.

ANHANG: CHATOYANCE

Jedes durchscheinende Mineral kann an und für sich den Katzenaugeneffekt zeigen, wenn es parallele, sehr dünnfaserige Einlagerungen in grosser Zahl enthält. Man schleift dann den Stein halbrund und mit der Faserrichtung parallel zur Basis. Im Licht der Sonne oder einer andern punktförmigen Quelle (nicht Fluoreszenzröhren) erscheint der charakteristische Lichtstreifen. Oder man gibt auf eine flache Steinoberfläche einen Öltropfen und sieht ebenfalls den Lichteffekt. So testen die Eingeborenen Thailands chatoyierende Rohsteine.

Der fundamentale Vorgang bei der Entstehung der Chatoyance ist die Streuung von Licht an einer extrem dünnen Faser. Betrachten wir einmal einen frischgesponnenen Spinnfaden (ohne Tau und Schmutz) in der schrägstehenden Sonne. Der Faden ist viel zu dünn (tausendstel Millimeter), um direkt gesehen zu werden. Stehen wir aber schräg daneben, so glitzert ein

Kurzes Stück des Fadens hell vor dem dunklen Hintergrund. Darüber und darunter sehen wir nichts vom Faden. Zur Erklärung braucht es die Gesetze der Wellenoptik. Die Lichtstrahlen der Sonne werden am dünnen Spinnenfaden kegelförmig gestreut, und unser Auge erhält dann Licht von einem Streukegel. Dort, wo die Spitze des Kegels liegt, leuchtet der Faden auf. In einem Katzenauge erzeugen unzählige parallele Fasern eine Flut von Streulicht. Die runde Cabochon-Oberfläche wirkt als Sammellinse und erzeugt ein, zwei Millimeter über dem Stein ein reelles Bild eines Lichtbandes. Beim Kippen des Steins gleitet dieser Lichtschein in der Kipprichtung geisterhaft über den Stein hinweg.

Herzlicher Dank für die Zusammenarbeit gebührt meinen Kollegen und Helfern Zsolt Fejér und Roland Wessicken (beide ETH Zürich), Jörg Krauer (Oberhittnau) und Hansruedi Schweiter (Hombrechtikon).

Dieser Beitrag erschien in der Zeitschrift Mineralienfreund 02 / 1992

Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verfassers.


Misoxer Edelsteine

Vesuvian vom Corno die Gesero (Roveredo GR)

Max Weibel*

EINLEITUNG

Vor dreissig Jahren erschien eine aufschlussreiche Arbeit in den schweizerischen Mineralogischen und Petrographischen Mitteilungen, der damaligen akademischen Fachzeitschrift der Mineralogen und Petrographen unseres Landes (Band 42, 1962, Seiten 153-168): "Beitrag zur Kenntnis der Metamorphose der alpinen Wurzelzone". Autoren waren die Tessiner Geologen August Gansser und Enzio Dal Vesco, beides Professoren der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Die Arbeit mag für die heutige, schnell-lebige Wissenschaft schon zurückliegen; dennoch enthält sie sehr genaue, in keiner Weise überholte Beobachtungen, die in mühseligen Feldbegehungen sorgfältig gesammelt wurden.

Auf Seite 160 lesen wir im "Beitrag zur Kenntnis der Metamorphose der alpinen Wurzelzone" (Raum zwischen Roveredo GR / oberem Val Morobbia / Passo San Jorio Italien; ungefähr zwischen Bellinzona und oberem Comersee gelegen); "Besonders interessant ist noch eine grössere Linse (1.5 m lang), die vorwiegend aus einem lichtgrünen, dichten Fels besteht, der wie Edelserpentin oder Jade aussieht. Die Untersuchung hat dann gezeigt, dass der grüne Fels vorwiegend bis ausschliesslich aus Vesuvian besteht."

Die beiden Tessiner Autoren interessierten sich wohl nicht für die Schleifbarkeit des ungewöhnlichen und von Sammlern hochgeschätzten Materials. Auch war kaum bekannt, dass dichter Vesuvian als Jadeersatz (Californit genannt) in Siskiyou, Fresno und Tulare (California USA) abgebaut wird. Dreissig Jahre später stossen zwei Strahler aus dem Zürcher Oberland, einer von ihnen Gemmologe und Edelsteinschleifer, auf die gleiche Fundstelle im hintersten Val Traversagna, erkennen die Qualität des grünen Minerals und verarbeiten es zu einem neuen, höchst ungewöhnlichen Edelstein der Alpen. Leider ist die durchsichtige Qualität des Vesuvians äusserst spärlich. Wie überall auf den Edelsteinvorkommen weltweit sind unter viel mittelmässigem Material nur ganz wenige Top-Steine.

*ehemals Professor für spezielle Mineralogie an der ETH Zürich

ZUGANG ZUM CORNO DI GESERO

Den Corno di Gesero erreicht man mit dem Auto von Roveredo GR im Misox über eine Bergstrasse bis Monte Laura (1382 m) und weiter in das oberste Valle d'Arbedo. Der Bergrücken wird hoch oben unter der Gratscheide in einem engen Tunnel durchquert. Von Mitte Juni bis Mitte September verkehrt ein Postautokurs Bellinzona-Roveredo-Laura.¨

Die von uns besuchten Fundstellen befinden sich auf der Bündner Seite Richtung Val Traversagna. Da die Alpen der Gegend im Sommer bestossen sind, darf nur mit grösster Vorsicht Material gebrochen werden. Oberhalb des Waldes ist das Gelände einigermassen übersichtlich und zugänglich; in den steilen und felsigen Taleinschnitten hat man hingegen geringere Chancen, an gute Aufschlüsse zu kommen.

Auf dem Weg zum Corno di Gesero

GEOLOGIE

Fährt man das Tessintal von Biasca nach Bellinzona hinunter, so überrascht einen, wie die südlichen, rückwärtigen Enden der penninischen Decken unvermittelt von flacher in steile, südwärts abtauchende Lagerung umbiegen. Einen ähnlichen Bau zeigt der Südrand der Alpen auch westlich und östlich des Tessins auf italienischem Gebiet. Man bezeichnet diesen west-ost-verlaufenden Bereich, wo sich Schichten aufstellen und himmelwärts weisen, als penninisch-ostalpine Wurzelzone. Der Begriff ist nicht wörtlich zu nehmen und meint nicht, dass die Decken nun direkt in dieser Nahtzone entsprungen seien. Es gibt daneben eine weniger ausgeprägte helvetische Wurzelzone längs der Linie Rhonetal-Urseren-Vorderrheintal.

Die Geologen sind heute der Meinung, dass die Entstehung der Steilzone am Alpensüdrand jünger ist als die Bildung der grossen Überschiebungsdecken und dass entlang von Bruchflächen gewaltige Spätbewegungen ganze Teile der Alpen gegeneinander verschoben haben (Grössenordnung 20 - 40 km horizontal und vertikal). Die Hauptnaht, die den Namen Insubrische Linie oder Tonale-Linie trägt, verläuft von der Südseite des Centovalli an Locarno vorbei über den Joriopass und weiter das Veltlin hinauf zum Tonalepass. Der Corno die Gesero, der uns wegen der Mineralvorkommen interessiert, liegt unmittelbar nördlich der Insubrischen Linie.

Der Abschnitt der Wurzelzone im Gebiet südlich des untersten Misox wird auch Zone von Bellinzona genannt. Hier grenzt nördlich an die Insubrischen Linie ein schmaler Gebirgsstock aus Tonalit, einem hornblendereichen Intrusivgestein, das die langgestreckte, westliche Fortsetzung des Bergeller Massivs bildet. Die Hauptmasse der Zone von Bellinzona besteht aus Gneisen mit wiederholten Einlagerungen einerseits karbonatischer Gesteine (Kalksteine, Dolomite), andererseits mafischer Gesteine (Olivinfelse/Amphibolite). In den mafisch-ultramafischen Gesteinszügen, die im Gelände durch ihre rostbraune Verwitterungsfarbe auffallen, treten metergrosse Kalksilikatlinsen auf, oft mit Zonarstrukturen und Anreicherungen von Dolomit, Epidot, Amphibol, Granat und Vesuvian. Am aussergewöhnlichsten ist Vesuvian, weil er an wenigen Stellen Edelsteinqualität erreicht.

Kalksilikatlinse im Peridotit

VESUVIAN ALS MINERAL

Die chemische Formel eines Minerals, für den Leser ohne Chemievertrautheit weitgehend unverständlich wie eine Hieroglyphe, ist so etwas wie ein Code oder eine Artikelnummer, die dem Eingeweihten sofort die Stellung im System und die Verwandtschaft offenlegt. Beim Vesuvian ist die Formel, Ca10(Mg,Fe)2A14(SiO4)5(Si2O7)2(OH)4, recht kompliziert, da Vesuvian eine Mischstruktur mit SiO4- und Si2O7-Gruppen (Sorosilikate) aufweist. Vesuvian ist im wesentlichen ein Calciumsilikat mit Aluminium, dazu Magnesium/Eisen, die sich gegenseitig ersetzen können und zusammen mit anderen chemischen Elementvertretungen bewirken, dass die physikalischen Eigenschaften (spezifisches Gewicht, optische Lichtbrechung) schwanken. Eine ähnliche chemische Zusammensetzung (nicht Struktur) hat der Grossular (Granatgruppe), und es kann passieren, dass in Kontaktgesteinen wie am Nordostrand des Bergeller Massivs rötlicher Vesuvian und Grossular schwer von Auge zu unterscheiden sind.

Vesuvian ist tetragonal; wenn freigewachsen, bildet es kurz- oder langprismatische, oft längsgestreifte Prismen. Die beträchtliche Lichtbrechung (um 1.72) kann den dunkelbraunen, grünlichen oder rotbraunen Kristallen einen starken Glanz verleihen (z.B. Zermatt/Saas Fee VS). Die Härte ist 6.5. In der Frühzeit wurde Vesuvian mit allen möglichen Mineralien durcheinander gebracht, vor allem mit "Hyazinth"(Zirkon), der auch tetragonal kristallisiert.

Werner erkannte im Vesuvian vom Vesuv (Italien) ein eigenständiges Mineral (1795). Viele verwirrende und überflüssige Synonymnamen haben sich lange gehalten und sollten verschwinden (Idokras, Wiluit, Egeran). Die klassische Lokalität für Vesuvian als Kontaktprodukt von Kalkstein und vulkanischer Lava ist der Vesuvkrater (Italien), wo das Mineral in Hohlräumen loser Kalksilikatblöcke in Tuff zu finden ist. Die alpinen Vorkommen tragen mehr den Stempel der Regionalmetamorphose (Gesteinsmetamorphose der Gebirgsbildung), wobei Kalksteine in besonders intensiven Kontakt mit ultrabasischen Gesteinen (Olivinfelse, Serpentinite) gekommen sind. Auch Diabase (calciumreiche vulkanische Ganggesteine) können in Ophiolithgebieten (z.B. Oberhalbstein GR) bei der alpinen Metamorphose in vesuvianreiche Gesteine umgewandelt werden. Neben den berühmten Funden freigewachsener Kristalle (Zermatt/Saas Fee VS) nennen wir für die Schweizer Alpen zwei klassische Gebiete, wo Vesuvian in dichten Gemengen (meist grün, selten rötlich) auftritt: Täschalp (Zermatt VS) und Piz Lunghin (Maloja GR).

VESUVIAN ALS EDELSTEIN

In den Handbüchern der Edelsteinkunde muss man manchmal Vesuvian immer noch unter Idokras suchen, so auch in der neuesten Auflage von Anderson/Jobbins (1990) Gem Testing (Butterworths, London). Dagegen hat sich die CIBJO, die "Confédération internationale de la bijouterie, joaillerie, orfèvrerie, des diamants, perles et pierres", bemerkenswert vorbildlich den heute gültigen Nomenklaturregeln angeschlossen. So gibt es keine künstlichen Edelsteine, und die Bezeichnung Edelstein darf nicht für Kunstprodukte und Synthesen gebraucht werden.

Vesuvian ist ein ausgesprochener Sammlerstein, der kaum als Schmuck erscheint, nicht weil er ungeeignet wäre, sondern wegen der Seltenheit. In der Härte (6.5) ist er Olivin und Demantoid ebenbürtig. Die Farbe ist schön goldbraun, auch bräunlichgrün, und wirkt zusammen mit dem hohen Glanz (Lichtbrechung etwas über 1.7) sehr attraktiv. Facettierte, durchsichtige Steine des Handels stammen heute meist aus Kenia. Mengenmässig wichtiger ist die dichte, undurchsichtige , grüne Varietät Californit, die als täuschendähnliche Jade-Imitation vermarktet wird. Fast lupenreine, mehrkarätige, schwarzbraune Steine sind von Zermatter Vesuvian geschliffen worden und im Naturhistorischen Museum der Burgergemeinde Bern ausgestellt.

Das Fundgebiet am Corno di Gesero GR

VESUVIAN VOM CORNO DIE GESERO

Zwei Eigenschaften zeichnen die sehr seltene, durchsichtige Ausbildung des Misoxer Vesuvians vor andern Vorkommen aus; die grüne Farbe und das polykristalline Gefüge. Intensiv olivingrüne, facettierbare Vesuviane kennt man kaum im Edelsteinhandel. Auch handelt es sich beim durchsichtigen Vesuvian sonst um Einkristalle wie bei den meisten Edelsteinen und nicht wie bei Jade um feinkristalline Gemenge, die dann von besonderer Zähigkeit sind. Normalerweise erscheinen Steine mit einem feinen Gefüge trüb und von geringer Transparenz. Die höchst seltenen durchsichtigen Jadeit-Jaden erzielen denn auch astronomische Preise höher als der Diamant. Der Vesuvian des Misox ist nur in einigen wenigen Fundstücken von solch durchsichtiger Qualität bei mikrokristalliner Beschaffenheit (Korngrösse 0.1 mm). Die jadeähnliche Struktur ermöglicht eine ausgezeichnete Politur.

Die grüne Farbe rührt von (zweiwertigem) Eisen, nicht von Chrom, das unter 0.1 % liegt.

Spuren (Grössenordnung 0.1 %) erscheinen im Spektrum von Mangan und Titan. Die Lichtbrechung bewegt sich um 1.718 - 1.720 und ist relativ hoch, was wir ebenfalls dem Eisen zuschreiben; aber sie ist niedriger als bei Kluftvesuvian von Zermatt. Die Doppelbrechung lässt sich wegen der Körnerstruktur im Refraktometer nicht bestimmen. Der grösste der wenigen facettierten Vesuviane vom Misox besitzt 2.54 ct und misst 12 mm. Wegen der geringen Mächtigkeit der durchsichtigen Partien im Vesuvianfels schleift man die ungewohnten Steine flach, damit sich eine vernünftige Grösse ergibt. Die häufigere trübe Qualität ergibt lebhafte Cabochons von intensivem Glanz.

Arbeit an einer Kalksilikatlinse im Peridotit   (Foto: Max Weibel 1992)

Der Edelsteinschleifer Jörg Krauer mit schleifwürdigem Vesuvianfels  (Foto: Max Weibel 1992)

Geologisch gesehen handelt es sich bei den Vorkommen um Linsen von Vesuvianfels in augitführendem Olivinperidotit (Lherzolith). Der Kern aus dichtem Vesuvianfels ist von epidot- und spinellführendem Amphibolit umhüllt. Nur wenige der zahlreichen Kalksilikatlinsen des Corno di Gesero zeigen allerdings diesen Aufbau, und schleifbarer Vesuvian bildet die Ausnahme. Weitere Fundstellen sind zu vermuten, aber Bedeckung mit Schutt, Gras oder Wald erschweren das Suchen.

Für Anregung, Mithilfe und Unterstützung bei der Arbeit über den Misoxer Vesuvian danke ich meinen Kollegen Zsolt Fejér, Jörg Krauer, Rolf Schmid, Hansruedi Schweiter und Roland Wessicken gleicherweise.

Dieser Beitrag erschien in der Zeitschrift "Mineralienfreund" 01 / 1993

Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verfassers.