Amethyst und Hämatit aus der Leventina

Remo Zanelli, Richi Meyer

Aus der Leventina sind schon seit längerem verschiedene Amethystfunde bekannt. Nach jahrelanger Suche war es uns vergönnt, an zwei verschiedenen Orten wunderschöne, amethystfarbene Fensterzepterquarze finden zu dürfen.

Ausdauer gefragt

Bereits unsere ersten gemeinsamen Strahlertouren vor bald 20 Jahren führten uns ins Tessin und auch in die Leventina. Auf unzähligen Touren erkundeten wir die bewaldeten, steilen und unwegsamen Hänge und machten verschiedene kleine, aber immer mal wieder mineralogisch interessante Funde. Vergeblich suchten wir aber nach Amethysten oder Zepterquarzen, die es gemäss verschiedenen Hinweisen geben sollte.

Blick vom Vanitt Richtung Leventina

Kein Aprilscherz

Am 1. April 2011 machte Remo wieder einmal eine Suchtour in die Leventina. Wie gewohnt war das Gelände auch für das gewählte Gebiet steil und mühsam zu begehen. Doch lassen wir Remo berichten: "Schon bald zeigten sich erste bescheidene Kluftanzeichen, aber ohne dass ich irgendwo wirklich arbeiten wollte. Einzig aus einem einzelnen Kluft-System fand eine kleine Stufe den Weg in den Rucksack. (Zuhause nach der Reinigung zeigte sich darauf ein wohlgeformter Xenotim von ca. 2 mm Länge!). Weiter ging's. Nach kurzem Aufstieg erreichte ich einen Felsgrat, wo mir an einer Stelle anstehender Quarz auffiel. Eine dicke Wurzel verunmöglichte die direkte Bearbeitung, so dass ich nebenan begann Gestein abzubauen. Erste Kluftflächen mit Muskovit kamen zum Vorschein. Die Begeisterung darüber hielt sich aber in Grenzen. Plötzlich rieselte es Quarzbruchstücke und wenig später lag ein 6 cm grosser Zepter vor mir! Unglaublich! Es folgten weitere gefensterte und verzepterte Quarze mit unterschiedlich starker Amethystfarbe. Sorgfältig baute ich das Gestein um die Kluft ab und erweiterte dadurch die Kluft. Mit einem langen, dünnen Holzstecken, dessen eine Astgabel wie ein Haken funktionierte, konnte ich den Kluftinhalt vorsichtig an die Oberfläche fördern. Nach gut einer Stunde hielt ich einen 10 cm grossen Fenster-Zepter-Quarz in den Händen mit einer leicht violett gefärbten Spitze. Es sollte der grösste Kristall aus dieser Kluft sein. Am 1. April eine Amethyst-Kluft zu finden, davon hätte ich nicht einmal zu träumen gewagt!"

Frisch geborgen: Amethyste bis 10 cm (Foto: Remo Zanelli)

Nach der Reinigung: (Sammlung Remo Zanelli, Foto Deborah Spinelli)

Zepteramethyst, 6 cm. (Sammlung Remo Zanelli, Foto: Deborah Spinelli)

Das System geht weiter

Das Kluftsystem zog weiter in die Bergrippe hinein und so lag die Vermutung nahe, dass das System auf der anderen Seite des Grates wieder auftauchen könnte. Daher wurde auch die andere Seite aufmerksam abgesucht und dabei auch ein Kluftriss entdeckt, auch wenn die Geometrie nicht zur anderen Kluft passte. Der Riss war sehr schmal und musste entsprechend erweitert werden, bis er so weit geöffnet war, dass man mit der Hand hineingreifen konnte. Voller Spannung griff Remo in den erweiterten Hohlraum, spürte eine Kristallfläche und hielt kurze Zeit später einen 10 cm grossen Quarz-Scherben in der Hand. Der zweite Griff beförderte einen deutlich violett gefärbten Zepterquarz ans Tageslicht. Es folgte ein klarer Quarz im Tessinerhabitus mit Muttergestein verwachsen und verschiedene, meist korrodierte Siderit-Aggregate.

Im Fundgebiet. (Foto Richi Meyer)

Höhepunkt nach langer Durststrecke

Ein paar Jahre später und nach weiteren erfolglosen Suchtouren besuchten wir wiederum die Leventina. Eine neue Felspartie sah vielversprechend aus. Schon nach kurzer Zeit machte sich aber Ernüchterung breit. Fehlende Kluftanzeichen und der permanente Lärm einer nahe gelegenen Rennbahn veranlasste uns ein ruhiger gelegenes Tobel aufzusuchen. Es schien, dass auch diese Strahlertour erfolglos enden würde. Es glich schon eher einer Verzweiflungstat, als wir bereits auf dem Rückweg, müde vom erfolglosen Graben, noch einen letzten Versuch wagten. Richi begann mit dem Pickel bei einem Quarzband zu graben und hielt nach kurzer Zeit plötzlich ein Stück Kluftgestein in der Hand. Die Müdigkeit war verflogen. Sorgfältig entfernten wir nun Gestein und Quarzband. Es öffnete sich ein lehmgefüllter Hohlraum und bereits die ersten Scherben zeigten Verzepterungen. Schon bald kamen die ersten gefensterten Quarze zum Vorschein. Nach kurzer Zeit zeichnete sich eine Kristallgruppe im Kluftlehm ab. Gespannt und sorgfältig beförderten wir sie ans Tageslicht: Eine tolle angezepterte Fensterquarzgruppe mit amethystfarbenen Spitzen! Was für ein schönes Stück! Richi war total begeistert und glücklich, geht doch ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung.

Fenster-Zepterquarz noch in der Kluft... (Foto Richi Meyer)

...noch bergfrisch: Fenster-Zepterquarz, 9 cm (Foto Remo Zanelli)

...nach der Reinigung. (Sammlung Richi Meyer, Foto Deborah Spinelli)

Fensterquarz, 7 cm, mit Limonit-Überzug. (Sammlung Richi Meyer, Foto Deborah Spinelli)

Neben Quarz kamen auch flache braune taflige Verwachsungen vor, die uns erst rätseln liessen - Hämatit? Die Hämatite weisen einen hartnäckigen Belag aus verwittertem Siderit auf. Die Reinigung erwies sich als ausserordentlich mühsam. Erst nach mehreren Behandlungen mit Natriumdithionit zeigten sich dann aber schöne, glänzende Hämatitkristalle. Das grösste Aggregat weist einen Durchmesser von 6 cm auf.

Hämatit-Aggregat, 6 cm, mit einem Quarz (Foto Richi Meyer)

...nun gereinigt. (Sammlung Richi Meyer, Foto Deborah Spinelli)

Keine weiteren Amethyste

Dieser Fund motivierte uns. Mit tatkräftiger Unterstützung durch die Strahlerfreunde Andri Mani und Michi Josuran suchten wir die Gegend nach weiteren Klüften ab. Leider kamen keine weiteren Amethyste mehr zum Vorschein. Doch wie wir ja gelernt haben, wird Ausdauer bekanntlich irgendwann belohnt!

Xenotim, 2 mm mit Muskovit. (Foto und Sammlung Remo Zanelli)

Bertrandit, 3 mm auf Muskovit. (Foto und Sammlung Remo Zanelli)

Geologie und Mineralparagenese

Die von uns beobachteten Amethystvorkommen liegen im Leventina-Gneis. Als Begleitmineralien erscheinen verbreitet Siderit, Muskovit, Hämatit, Apatit, Rutil und Calcit. Monazit und Xenotim sind ebenfalls für die Paragenese typisch und verbreitet, erscheinen allerdings nur in geringer Anzahl und in meist kleinen Kristallen. Als grosse Überraschung enthielt eine Kluft Bertrandit in typischen V-Zwillingen bis 4 mm Grösse. Trotz intensiver Untersuchung von viel Kluftgestein konnten wir nur einmal Bertrandite finden.

Selfie der Authoren Richi Meyer und Remo Zanelli (Foto Richi Meyer)

Andri Mani und Michi Josuran gilt unser Dank für die Durchsicht des Berichtes und die konstruktiven Ergänzungen.

Dieser Beitrag wurde in der Zeitschrift "Schweizer Strahler" Heft 01/2021publiziert. Verröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis der Verfasser