Die Entdeckung einer grossen Pegmatitgeode im Misox (GR)

Angelo Stroppini

Dies ist die Geschichte eines einzigartigen Fundes. Zum ersten Mal werden Mineralien aus eine alpinen pegmatischen Geode (Miarole) entdeckt und präsentiert, die hinsichtlich Qualität und Schönheit in nichts denen von weltbekannten Fundorten nachstehen. Turmaline mit lebhaftem Glanz und beträchtlicher Grösse, Aquamarine von vortrefflich blauer Farbe sowie rote und orangefarbene Almandin- und Spessartingranate in Edelsteinqualität.

Auf Anregung des Redaktors Thomas Bolli möchte ich die Geschichte dieses Fundes aus dem Jahr 2005 erzählen, obwohl ich die Fundstelle derzeit noch bearbeite. Wer Schweizer Mineralienbörsen besucht, dem wird aufgefallen sein, dass ich seit einigen Jahren Pegmatit-Mineralien anbiete. Die Kenner haben sicherlich sofort bemerkt, dass das angebotene Material in seiner Art und Qualität einzigartig ist. In diesem Artikel wird die Entdeckungsgeschichte beschrieben. Hinzu kommt eine Ergänzung von Federico Pezzotta, Kurator der Mineralogie-Abteilung des Naturmuseums von Mailand, ein weltweit führender Pegmatit-Experte.

Als Strahler mit einer ausgeprägten Leidenschaft für das Auffinden von Kristallvorkommen möchte ich nun gerne erzählen, was ich im Zusammenhang mit der bedeutendsten Entdeckung meines Lebens erlebt habe.

Die erste Erkundung der Pegmatitzone

Es ist ein kalter Tag im Januar 2005, und ein heftiger Wind treibt einem die Kälte in die Knochen. Mein damalige Partnerin Michela beschliesst, ihre Eltern in Cabbiolo im Misox (GR) zu besuchen. Ich steige mit ihr ins Auto, um das Fundgebiet Piani di Verdabbio zu besuchen. Ich wollte diese Gegend schon lange erkunden. Der Ort ist für wunderschöne Pegmatit-Mineralien bekannt, insbesondere für Berylle. Einige davon wurden zu Cabochons verschliffen; sie sind im Naturhistorischen Museum in Bern ausgestellt. Der bedeutendste Fund wurde von Gross im Jahr 1969 beschrieben. Er berichtet, dass die Berylle bis zu 20 cm gross werden können. Sie sind von ausgezeichneter Qualität teilweise transparent, jedoch immer in Quarz eingewachsen. Der kalte Wind gibt keine Ruhe, aber ich entscheide mich trotzdem, aus dem Auto auszusteigen. Vom nahegelegenen Restaurant aus gelange ich sofort in den Wald und muss nicht weit gehen, um die Felsen zu erreichen. Ein vertikal verlaufender Pegmatitgang zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Der Gang ist fast vollständig mit Moos bedeckt. Mit wenig Enthusiasmus nehme ich Hammer und Meissel aus der Tasche und beginne, den Quarz zu bearbeiten. Die ersten Stücke abgelösten Pegmatits sind ermutigend, denn sie enthalten sehr kleine orangerote Granatkristalle.

Ich werde zuversichtlich, die Gegend gefällt mir und so klettere ich immer weiter die felsigen Klippen entlang. In diesem Bereich dominieren vor allem senkrechte Wände. Das wird einem schon klar, wenn man die gewaltigen Felswände sieht, die die Hauptstrasse umgeben. Ein Wildpfad erlaubt es mir, höher zu klettern. An den Seiten dieses mühsamen Pfades sehe ich zahlreiche Pegmatitfelsen unterschiedlicher Grösse. Pegmatit ist das Gestein, nach dem ich suche, weil darin in vielen Teilen der Welt wertvolle Mineralien entstanden sind. Ich konzentriere mich auf diese Felsbrocken und bearbeite sie einige Stunden. Ich klopfe Stein um Stein auf und finde einige kleine Berylle. Ich bin sehr glücklich und abends schaue ich sie mir nochmals an. Ihre Farbe zwischen grün und blau ist sehr attraktiv.

Am nächsten Wochenende bin ich wieder in der Fundzone. Ich weiss es sofort zu schätzen, dass ich mich im Wald befinde und seinen charakteristischen Geruch wahrnehme. Ich verbringe den Samstag und Sonntag damit, nach Pegmtit-Felsbrocken zu graben. Mir wird schnell klar, dass es nichts Schöneres gibt, als Steine aufzuschlagen und darin einen blauen Aquamarin zu finden! Auch an den folgenden Wochenenden kehre ich immer wieder in diese Gegend zurück. Anfang Februar befasse ich mich wieder mit dem am ersten Tag beobachteten vertikalen Gang. Ich stelle fest, dass unter dem Moos im zentralen Teil des Pegmatits eine etwa zehn Zentimeter breite Quarzader verläuft. In diesem Teil der Ader hole ich den ersten schwarzen Turmalin heraus. Er ist glänzend, eingewachsen in Quarz und hat Endflächen. Nun habe ich mich entschieden: Ich werde diese Ader bearbeiten.

Der richtige Gang

Es ist seitdem eine Obsession. Mein Hauptziel ist es, zurückzukehren, um an diesem Gang herumzuklopfen. An einem Samstag Mitte Februar dringt der Meissel plötzlich in den Quarz ein. Es ist ein faustgrosser Riss, gefüllt mit rötlichem Lehm. Ich finde kleine transparente Quarze bis zu 2 cm. Viele sind seltsam flach, viele auch als Doppelender gewachsen. An diesem Tag finde ich weitere Drusenhohlräume mit ähnlichen Abmessungen. Neben kleine Quarzkristallen berge ich kleine, aber sehr glänzende schwarze Turmaline. Später wird mir klar, dass dieser Glanz ein Merkmal des Miarolenmaterials ist. Unglaublich, ich fand ein Kristallvorkommen nur fünf Minuten von der Strasse entfernt! Eines Tages, Anfang März, finde ich morgens noch eine Geode mit kleinen Quarzen.

Mittags fahre ich zum Mittagessen nach Cabbiolo zu den Eltern meiner Ex-Partnerin. In der warmen Frühlingssonne trinke ich draussen einen Kaffee. Aus der Tasche nehme ich das Taschentuch mit dem gefundenen kleinen Quarz heraus, um ihn nochmals näher zu betrachten. Der Quarz hat jedoch eine merkwürdige blaue Farbe. Es ist kein Quarz, ich habe den ersten frei gewachsenen Aquamarin gefunden!

Eines Samstags Ende März schlägt Pasquale, Michelas Vater vor, mich zu begleiten. Wir gehen zusammen zum Pegmatit. Wir beschliessen , ihn senkrecht nach unten zu verfolgen. Abwechselnd graben wir ein paar Stunden im Boden. So legen wir eine grosse Quarzplatte von etwa einem Quadratmeter frei. Ich beschliesse, mit Hammer und Meissel in den Grenzbereich zwischen Orthoklas und Quarz zu schlagen. Es ist Mittag. Pasquale hat genug und geht zum Auto. Ich bleibe noch ein bisschen. Was jetzt passiert, werde ich nie wieder vergessen.

Plötzlich und unerwartet dringt der Meissel über seine gesamte Länge in den Quarz ein. Es ist so als hätte ich einen Kluftriss am Gotthard gefunden. Mir wurde sofort klar, dass ich eine riesige Miarole gefunden hatte. Pasquale ruft aus dem Auto, dass ich kommen solle. Ich erzähle ihm von der Öffnung der Geode. Sobald ich in Cabbiolo angekommen bin, wasche ich das Stück unter Hochdruck-Wasser. Es ist eine wunderbare Stufe. Ich habe keine Worte. Ich esse, nehme den Bus und kehre zu meinen Pegmatiten zurück. Am Nachmittag hole ich weiteres Material aus der Miarole. Dann regnet es und ich steige ab. Ich schlafe in dieser Nacht nicht.

Am nächsten Morgen schneit es, aber ich muss hochgehen. Michela begleitet mich und wir machen Fotos. Sie werden historisch. Michela geht runter und ich bleibe, um die Geode zu bearbeiten. Bald beginnt es ernsthaft zu schneien. Ich hole nun kontinuierlich Quarz und Turmalin aus der Miarole heraus. Alles steckt in rötlichem Lehm. In dem Hohlraum sehe ich die riesige Kopffläche eines Quarzkristalls. Ich traue meinen Augen nicht. Ein Doppelender von über 30 Zentimetern! Die um den Spalt plazierten Fundstücke sind inzwischen mit Schnee bedeckt. Aber ich konzentriere mich auf das Herausnehmen von Material. Schliesslich muss ich doch aufhören.

Es wird dunkel und ich bin durchnässt. Ich packe sorgfältig die Stücke ein, die ich im Schnee kaum erkennen kann. Schwer beladen, schmutzig und völlig nass verlasse ich den Wald. Ich habe noch einen Termin mit Michela und muss mich beeilen. Nach hause gehen, duschen, ins Büro gehen und nach Bern fahren, um am nächsten Tag an einem Meeting teilzunehmen. Ankunft in Bern um 23.00 Uhr mit 38 Grad Fieber. Ich schlafe ein und am nächsten Tag bin ich wieder gesund; mir ist bewusst, dass das, was ich durchgemacht habe, kein Traum war.

Die erste aussergewöhnliche Stufe aus der Miarole, 18 cm breit.

Gruppe von 24 cm grossen Quarzen auf kleiner Matrix mit Granaten, die ihren pegmatitischen Ursprung belegen.

Das Treffen mit Dr. Federico Pezzotta

Ich habe mit niemandem über die Entdeckung gesprochen. Und ich denke, das war gut. Aber ich wollte mehr über die Hintergründe meiner Entdeckung lernen und mehr verstehen. Mir war bewusst, dass ich etwas entdeckt hatte, das bisher in unserer Gegend noch nie gefunden worden war, und ich fand in der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur wenig oder nichts darüber. Eines Tages las ich in der Zeitschrift Lapis einen Artikel von Dr. Federico Pezzotta über die Mineralien der Pegmatite auf der Insel Elba. Also ging ich zum Naturkundemuseum in Mailand, um ihn zu treffen. Ich werde seinen Gesichtsausdruck nie vergessen, als er einige Proben sah, die ich ihm zeigte. Mit grosser Professionalität gab er mir sofort wichtige Ratschläge. Er erklärte mir, dass wahrscheinlich einige Turmalinteile zu grösseren Stücken zusammengesetzt werden könnten und daher alle aufbewahrt werden müssten. Er schlug mir vor, sofort an die Fundstelle zurückzukehren und das gesamte herausgenommene Material zu durchsuchen, um wirklich alle Teile zu finden. Zur Sicherheit habe ich das gesamte Material fünfmal gesiebt!

An einem kalten Tag im folgenden Jahr fand ich den schönsten Aquamarin der Fundstelle; ich gab ihm den Namen meiner Mutter - Rosemarie -.

Zu Beginn des Sommers besuchte mich Federico in Bellinzona. Auf seinen Wunsch hin stellte ich auf dem Küchentisch alles auf, was ich in der Geode gefunden hatte. In wenigen Minuten erkannte er zusammenpassende Bruchstücke und bildete zwei schöne «Turmalinstapel»! Später verbrachte ich ganze Abende damit, andere Stapel neu zusammenzusuchen. Unter anderem habe ich eine aussergewöhnliche Gruppe von Quarzen mit einer kleinen mit Granaten besetzten Matrix neu zusammengesetzt.

Aquamarin "Rosemarie": Ein wunderschönes Aquamarin-Juwel aus dem Misox. 2,2 x 2,3 cm (Foto: Roberto Appiani)

5 mm Almandine/Spessartin mit Glimmer

Paralleles Aggregat mit Turmalinkristallen bis zu 3.5 cm mit Muskovit.

Das Fundmaterial

Turmalin

Die Turmaline, wahrscheinlich Schörl, haben einen wunderbaren Glanz. Oft sind die Kristalle mit einer Vielzahl von Almandin/Spessartin-Granatkristallen besetzt. Die beiden grössten wieder zusammengesetzten Turmaline sind über 30 Zentimeter lang! Neben Granaten sind auch die für pegmatitische Miarolen typischen Muskovitpakete auf die Turmaline aufgewachsen.

Granat

Die Granate sind in der Regel nur wenige Millimeter gross, aber aufgrund ihrer Farbe und Transparenz haben sie Schmucksteinqualität. Ich habe in der Sammlung einige Granate, die zu Schmucksteinen von bemerkenswerter Schönheit und Reinheit verschliffen wurden.

Quarz

Die Quarzkristalle sind transparent und oft doppelendig. Manchmal bilden sie grosse Gruppen bis zu 30 Zentimeter Breite. Einige haben ein korrodiertes Aussehen mit ausgesprochen bizarren Formen. In einem Quarzkristall befindet sich ein Granat von mehr als einem Zentimeter.

Beryll, Aquamarin

Die Fundstelle hat mehrere schöne Aquamarine mit hellblauer Farbe und glasartigem Glanz geliefert. Die Kristalle sind oft korrodiert. Einige wurden zu Cabochens verarbeitet. Ihre Transparenz und Brillanz sind bemerkenswert, sie sind wohl besser als jene im Museum in Bern.

Zirkon

Kleine Zirkone (max. 2 mm) waren auf die Turmaline aufgewachsen. Einige sind grün und andere neigen dazu, grau zu werden. Ihre Besonderheit ist nicht nur ihre Seltenheit, sondern auch ihr Vorkommen in der Miarole.

Apatit

Auf dem Grund der Miarole fand ich einige stark glänzende und transparente Apatite von wenigen Millimetern. Ihre Besonderheit ist nicht nur ihre Seltenheit, sondern auch ihr Vorkommen in der Miarole.

4 cm Quarzkristall mit 2 cm breitem Granat.

Granat: 1.2 cm grosser Kristall mit zwei fabelhaften Edelsteinen.

Aquamarin, 3.6 cm grosser korrodierter Kristall und brillante und rechteckige Schmucksteine.

Anekdoten und Überlegungen

Ich habe schöne Erinnerungen an die Kristallsuche in diesen Wäldern. Viele Male bin ich aufgestiegen und habe nichts gefunden. Viele Male, sehr viele Male! Ich habe manchmal die steilen Felswände erklommen und konnte dann den Weg nach unten nicht mehr finden.

In solchen Situationen beim Strahlen ist die alles andere egal, und du versuchst nur noch verzweifelt, da herunterzukommen. Später erinnerst du dich an die unbeschwerten Momente, wenn du an kalten Tagen heissen Tee trinkst...

Ich würde das gesamte Fundgebiet als besonders magisch bezeichnen, nicht nur für das, was gefunden wurde, sondern auch wegen der Anwesenheit einiger eigenartig geformter Felsblöcke, die für das Misox typisch sind und die möglicherweise Zeugen eines Ahnenritus sind. Nicht selten hat dieses Tal topographische Orte mit Namen, die an Magie und Hexerei erinnern. Ich mag es, an Träume zu glauben, denn was ich entdeckt habe, hat wirklich nichts mit der derzeit bekannten alpinen Mineralogie zu tun. Es erscheint mir daher legitim, diese Entdeckung mit etwas besonders Magischem und Traumhaftem in Verbindung zu bringen. Alles ist unmöglich, bis jemand das Unmögliche findet.

Unvergessen sind auch die Aspisviper, die mir auf den Kopf fiel, während ich am Grund der Geode kratzte, und die zahlreichen Zecken, die ich von meinen Beinen entfernen musste.

Es wäre unfair, wenn ich mich nicht an eine Jagdexpedition erinnern würde, an der ich in diesem Gebiet teilgenommen habe, ohne es natürlich zu wollen. Im Spätherbst 2010 sind wir mit einem Kollegen ins nahe Val della Molera gefahren. Die Vegetation dort ist undurchdringlich, ohne jeglichen Weg. Nachdem ich mit Mühe eine kleine Lichtung erreicht hatte, traf ich dort auf zwei Hirsche, die sich offensichtlich gerade paarten. Der Hirsch, der Angst vor mir hatte, entkam nach unten und die Hirschkuh berührte mich auf ihrer Flucht - ein ganz schöner schrecken für alle Beteiligten. Auf dem Rückweg fanden wir am Fuss einer Klippe den toten Hirsch! Ein Exemplar von 140 Kilo. Also riefen wir den Wildhüter an und das arme Tier wurde sofort zerstückelt. Ich konnte seinen Kopf behalten und eine schöne Trophäe daraus machen. Ein guter Teil des Filets landete dann auch in meinem Gefrierschrank. Leider konnte ich es nicht essen, weil eines Tags, als ich aus den Ferien zurückkam, die Haussicherungen durchgebrannt waren und beim Auftauen der Kühltruhe das Fleisch ungeniessbar wurde. Sicherlich hat der Helikopter, der den Hirsch ins Tal beförderte, Aufsehen erregt.

Ein Wunder der Natur in den Händen des Entdeckers.

Dieser Beitrag wurde in der Zeitschrift "Schweizer Strahler" 03/2019 publiziert. Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis des Verfassers.