Wahre Strahlerfreundschaft, die auch den Bruch einer Hand überlebt

Markus Hunziker Pfäffikon ZH

Der Samstag, der 4. Oktober 2012 war einer dieser Tage, die mich immer wieder mit Glück erfüllen: Stahlblauer Himmel, angenehme Temperaturen auf dem Furkapass, die Gletscher ausgeapert und blank - beste Voraussetzungen zum Entdecken neuer Klüfte an den Gletscherrändern. Nach zwei Stunden Aufstieg waren wir am Ort unserer Suche angelangt. Einige Stunden erfolgloses Spitzen und Graben gingen vorbei. Am späteren Nachmittag ging ich etwas weiter den Gletscherrand entlang. Plötzlich stand ich vor einem Gneisblock mit spannenden Kluftanzeichen. Klar war aber auch, dass da beinharte Arbeit gefragt war. Der Tag war schon fortgeschritten und es blieb wenig Zeit. So versuchte ich, im etwas weicheren Gestein die Zerrkluft seitlich anzuspitzen. Nach einer halben Stunde Spitzarbeit ging die Kluft auf und als ersten Kristall konnte ich einen grösseren "Zinggen" herausziehen. Weitere kleinere, glasklare und leicht rauchige Einzelkristalle und kleinere Grüppchen folgten. Am Abend stiegen wir mit gefüllten Rucksäcken ab, im Wissen, dass wir im nächsten Jahr hier sicher weiterarbeiten wollten.

Gute Kluftanzeichen

Ein erster Rauchquarzzapfen (Oktober 2012)

Knapp ein Jahr später Ende August 2013 war der Schnee wieder soweit abgeschmolzen, dass eine Weiterarbeit denkbar war. Zu dritt stiegen wir auf und hatten diesmal auch Ponciottis, einen Akkubohrer und einen Vorschlaghammer dabei. Wir begannen den Fels von oben zu spalten, um den ganzen Kluftraum von oben freizulegen. Ich bohrte ein erstes Loch, legte den Ponciotti ein und mein Freund, Andy Weiss, trieb den Keil mit dem Vorschlaghammer hinein. Im Felsblock zeigte sich ein Riss, sodass wir einen grösseren Treibkeil ansetzen konnten.

Die vielversprechende Stelle wird bearbeitet

Ich hielt diesen mit der rechten Hand, bis er zu ziehen begann und der "treffsicherere" Andy schlug mit dem Vorschlaghammer. Leider rutschte Andy während des Schlages aus und der Vorschlaghammer traf anstelle des Keils meine rechte Hand. Der Schmerz liess mich taumeln. Zum Glück war der Gletscher nahe, wo ich ein grosses Stück Eis holte. Die Kühlung der Hand verminderte die Schmerzen etwas.
An weitere Arbeit meinerseits war nicht mehr zu denken. So stand ich wie der Polier auf der Baustelle, war primär mit der Kühlung meiner Hand durch Gletschereis beschäftigt und gab Anweisungen, was zu tun war. Wir legten den ganzen Kluftraum frei und am Abend trugen wir wieder tolle Einzelspitzen und Stufen nach Hause. Ich fotografierte die Hand, da ich beeindruckt war, wie stark sie trotz Gletscher-Cold-Pack anschwellen konnte. Am Samstag ging ich trotzdem zum Arzt, der feststellte, dass die Mittelhandknochen gebrochen und zwei Gelenkkapseln zertrümmert waren.

                                 Das schmerzt: die gebrochene rechte ist trotz sofortiger Kühlung stark angeschwollen.

Am Sonntag in der Kirche berichtete ich dann Andy vom Befund und umarmte ihn kurz, als er sich entschuldigen wollte. Er ist nach wie vor einer meiner besten Freunde. Seit diesem Unglück gilt für mich das Motto: "Wahre Freundschaft zeigt sich darin, dass dir jemand die Hand brechen kann und dann immer noch dein Freund ist!" In den Folgewochen war ich im Schreiben im Zehnfingersystem etwas behindert. Mein Chef meinte im Scherz, dass bei Sozialwissenschaftlern, die viel schreiben müssen, zu überlegen wäre, ob das Hobby Strahler bei der Personalselektion nicht eines der Ausschlusskriterien sein müsste .

Zu dritt strahlen wir seither immer wieder an dieser Stelle. Wir konnten in unmittelbarer Nähe zwei weitere Klüfte öffnen. Eine Stelle, an der mir bewusst war, dass sie tagelange Abbauarbeit bedingen würde, schaute ich immer wieder prüfend an. Mir fehlten aber Mut und Energie, dies anzupacken.

Im Sommer 2016 rangen wir uns dann zu dieser Aktion durch. Wir trugen ein Werkzeugfass und diverses schweres Werkzeug nach oben. Fünf Tage spalteten wir Felsen und bauten Tonnen von Gestein ab. Die Kluft liess auf sich warten, die Kluftzeichen blieben aber gut. Eine erste kleinere Kluft ergab dann hochglänzende und glasklare helle Rauchquarze bis 12 cm Länge. Am 2. Oktober 2016 entschieden wir uns für eine letzte Tour und wollten gleichzeitig die Kluft einwintern. Wir bauten nochmals etwas Fels ab. Als ich mich kurz vor Arbeitsschluss bückte, um die Öffnung zu begutachten, entdeckte ich einen kleinen Riss. Ich erweiterte diesen und plötzlich war eine ca. 50 cm breite Kluft frei, deren Decke ganz mit bis zu 12 cm langen Spitzen bewachsen und der Hohlraum mit Schwimmern gefüllt war.
Es scheint mein Schicksal zu sein, dass die guten Funde vor Saisonschluss und an späten Nachmittagen fällig werden. Unsere Akkus waren praktisch leer. So entschlossen wir uns, noch einige wenige Stufen abzubauen und die Kluft zu verschliessen, um im nächsten Jahr weiterzuarbeiten. Nach der Reinigung stellten wir erfreut fest, dass die Stufen völlig unbeschädigt und von ausgezeichneter Qualität waren.

Die perfekt ausgebildete Kluftdecke wartet auf die Bergung.

Teil der Kluftdecke, frisch geborgen

Für den Sommer 2017 setzten wir uns das Ziel, möglichst grosse Gruppen abzutragen. Da der Juni sehr heiss war, konnten wir ab Mitte Juli an dieser Stelle arbeiten. Sorgfältig legten wir rund um die Kristalle den Fels frei, erweiterten die Öffnung und bohrten ganze Lochreihen, um im stark geschieferten Gneis möglichst grosse Platten abzuspalten. Während der Vorarbeiten, die sich über einige Tage und drei Wochen hinzogen, hofften wir, dass sich alle Besucher der Kluft an den Ehrenkodex halten und nichts mitnehmen würde. Dies war der Fall. An unseren Bildern der mit Steinen verdeckten Kluftöffnung war erkennbar, dass Strahlerkameraden die Kluft besucht, jeweils freigelegt und vermutlich auch hineingeschaut hatten. Die Kluftdecke blieb aber unbeschädigt und es ist mir wichtig, hier festzuhalten, dass ich immer wieder begeistert bin von der Ehrlichkeit und Integrität der Schweizer Strahlerinnen und Strahler. Dies ist für mich keine Selbstverständlichkeit.

Der Stand der Arbeiten an der Kluft im Sommer 2017. Viel Gestein musste abgebaut werden.

Im Verlaufe des Septembers konnten wir dann den ganzen Kluftraum ausbeuten und eine ganze Anzahl tolle Stufen mit sehr wilden Formationen von wunderschön gruppierten Kristallen nach Hause tragen. Daneben ernteten wir auch viele kleinere Grüppchen und Einzelspitzen bis zu 20 cm Länge. Interessanterweise befanden sich vorderen Teil der Kluft leicht rauchige Kristalle und im hinteren Bereich wasserhelle. Zwei Meter oberhalb des Kluftraums stiessen wir beim Abbau zudem auf einen kleineren Hohlraum, in welchem helle Phantomquarze bis 25 cm Länge mit gutem Glanz zum Vorschein kamen.

Der Autor mit einem grossen Rauchquarzspitz.

Frisch geborgene Stufe von der Decke.

Ende 2017 war der Kluftraum leer. Eine weitere grössere Abbauaktion steht an, da wir etwa einen guten Meter weiter hinten eine neue Kluft vermuten. Vorfreude gehört zu den schönsten Freuden und es bleibt also noch etwas zu tun!

Ein 17 cm grosses Aggregat mit Phantomquarz.

Markus Hunziker wohnt in Pfäffikon ZH. Er ist Sozialwissenschaftler, leitet aktuell ein Alters- und Pflegeheim und ist begeisterter Strahler, Grossvater und Hobby-Winzer.

Dieser Erlebnisbericht wurde in der Zeitschrift "Minereralienfreund" Ausgabe 01 / 2018 publiziert. Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis des Verfassers.