Auf geht's nach St.Niklaus!
Martin
Waldmeier Grossdietwil LU
Ein paar schöne Frühlingstage standen auf dem Wetterprogramm. Ich hatte die Gelegenheit, meine Ferienwoche mit ein paar Brückentagen bis über Auffahrt zu verlängern. So verabredete ich mit Thomas - meinem Strahlerkollegen - und dessen Sohn Joel in St. Niklaus. Da Thomas erst am Mittwochabend eintreffen konnte, fuhr ich trotz allem schon um 10 Uhr von Grossdietwil los. Ich wollte, ohne es eilig zu haben, das Mattertal bzw. Grächen besichtigen. Ausser einigen schönen alten Gebäuden und Meiensässen fand ich den Ortskern eher steril und aufgepeppt. Umso herrlicher waren die Berge, die Grächen etwas hervorhoben, auf seiner flachen Bergterasse. Gleich fiel mir auch ein markanter Steinbruch ins Auge. Jener lag auf der westlichen Talseite und leicht tiefer als Grächen. Noch ahnte ich nicht, dass wir dort einige hübsche Kristalle finden würden. Wettermässig war der Himmel mal sonnig, mal wolkig, oder anders ausgedrückt: Ehe ich Thomas und Sohn Joel um 18. Uhr traf, durchstreifte ich St. Niklaus und fotografierte einige hübsche Winkel. So verging die Zeit im Fluge. Endlich, Punkt 18 Uhr, fuhr Thomas auf den Hotelparkplatz, der ausserhalb und südlich von St. Niklaus lag. Einer freudigen Begrüssung folgte schon bald der Zimmerbezug. Anschliessend wollten wir irgendwo in St. Niklaus etwas Kleines zu uns nehmen. Doch an guten Beizen mangelt es in St. Niklaus. So beschlossen wir, im hoteleigenen Restaurant etwas zu bestellen. Abends, nach dem Essen, fuhren wir kurz nach Grächen hoch. Die Strasse schien bis oben in grosszügiger Art verbreitert zu sein. Natürlich dachte ich nicht daran, meine Jacke mit zu nehmen, es war ja angenehm warm. Doch in Grächen pfiff ein anderer Wind. Thomas bemerkte wohl, dass es mich etwas fröstelte und gab mir grosszügig sein Gilet. So wurde beratschlagt, wo und an welchem Punkt wir am nächsten Tag unsere Fäustel und Meissel ansetzen wollten. Schlussendlich fiel der Entscheid, den alten Steinbruch, der gegenüber liegenden Talseite zu besuchen.
Wir nahmen mein Auto, da dies nicht allzu gross für die engen Haarnadelkurven war und man bequem bis fast vor die Grube fahren konnte. Nun stiegen die Spannung und die Hoffnung, etwas kleines zu finden. Seltene Schmetterlinge und Blumen wurden fotografiert.
Seltener Schmetterling
So verteilten wir uns am rechten Felshang, der schrundig und spaltig schien. Es schien von vornherein klar, dass das Mattertal keine allzu grossen Kristalle verbarg. Thomas sagte, ich solle es gleich hier mal versuchen, er gehe noch etwas weiter. Sein Sohn war etwa 5 bis 8 m links neben mir und liess den Fäustel sausen. So erschallte ein Klopfen und Hämmern. Meine senkrechte Felsspalte liess sich mit Ach und Krach erweitern. Und siehe da!! Einige kleine Quarzgrüppchen und einige Stüfchen auf dem grünen Muttergestein kamen zum Vorschein! Ziemlich unansehlich waren alle mit einem Kalksinterbelag überzogen. So war an eine stationäre Reinigung nicht zu denken. Zumal es noch fragilere Mineralien beherbergen konnte, die mit Schrubben und Bürsten für immer beschädigt oder weggeputzt werden konnten. Mit Vorsicht griff ich in die Spalte und fischte lose eine Kleinstufe, die unter ihrer Verkrustung schon ästhetisch vielversprechend schön aussah. Jippheee!!!!
«Thomas» rief ich «ich bin fündig geworden! Da, schau!» Thomas kam und teilte meine grosse Freude.
Es ging nicht lange, und sein Sohn Joel hatte auch das Glück, einen Quarzspitz und noch einige kleinere Grüppchen zu finden. So blieb ich emsig an meiner Spalte kleben und fingerte einige mit kleinen Kristallgrüppchen belegte Matrixsteine hervor. Die Stufen waren nur knapp handlang. Die Grösse der Kristallspitzen mass zwischen 2 bis 10 mm. Und plötzlich hatte ich «Weihnachten»! Auf einer Stufe befand sich (auch unter einer Sinterkruste) ein gut ausgebildeter Doppelspitz von ca. 1,5 x 3 cm und viele kleinere Doppelender lagen verteilt auf der Matrixfläche.
Nun waren wir heftig mit Abspitzen beschäftigt. Auch die Zeit raste nur so dahin! Schlussendlich stiegen wir noch zum grossen Steinbruch - die von uns bearbeiteten Spalten waren ja auf dem Weg, der zum Bruch führt - fanden aber keine Kluft oder Quarzanzeichen mehr.
Wir brachen auf, um noch etwas neues zu finden, was - wie gesagt - im Mattertal ziemlich spärlich gestreut ist. Alles verpackt, fuhren wir wieder talwärts.
Unten an der Strasse, etwas weiter talwärts, rauchte ein kleiner Bach, dessen Wasserfassung leicht zu überschreiten war, daher machten wir einen kurzen Abstecher dem Bach entlang. Doch leider war nichts zu finden. So kraxelten wir noch etwas höher durch Wald und Sträucher, denn Thomas wusste auch dort eine Fundstelle mit seltenen Mineralien, die eben nur an diesem Fundort zu finden waren. Joel, sein Sohn, machte sich an einer anderen Stelle zu schaffen. Hier musste ich passen, fand ich doch persönlich nichts, was aber meiner Neugierde keinen Abbruch tat.
Zurück im Hotel La Reserve bekamen wir Bescheid, das wir nur für zwei Nächte hier bleiben konnten, da eine grössere Gesellschaft noch unterwegs war. Thomas und ich beratschlagten uns, wohin wir fahren sollten. Simplon? St. Bernhard? Nein, da läge noch zu viel Schnee rum. So kam mir die Idee, ins Lötschental zu fahren! Thomas und Joel waren sogleich mit meiner Idee einverstanden. So verabschiedeten wir uns vom Hotelwirt und bedankten uns für die Prozente. Ich schlug Thomas vor, da ich schon zwei Mal auf der Faldumalp war, auf eben dieselbe zu fahren, Nun mussten wir, da es sich um eine Privatstrasse handelte, in Ferden ins Parkhaus fahren und eine Fahrbewilligung und einen Parkschein lösen. Gesagt, getan! So fuhren wir mit meinem Auto (da kleiner) hinauf zur Faldumalp und noch etwas weiter, wo wir des noch etlichen Schnees wegen Halt machen mussten.
Auf der Faldumalp
Gleich waren wir marsch- und kraxelbereit. Steil querten wir den holprigen Hang hinauf. Während ich prustend und keuchend wie eine alte Dampflok aufstieg, erwähnte Thomas, dass ich noch recht fit sei. Nun ja wie man's nimmt. Ich stand ja schon fast vor meinem 60. Geburtstag. Wohl ist es kaum mehr möglich, dass ich mich wie 30 fühle.
Aber ist erst mal eine Kluft in greifbare Nähe gerückt, verjüngt sich auf wundersame Art und Weise mein ausgelaugter Körper! So gingen wir noch eine weile bergauf. Die Schneeflächen wurden häufiger, so dass wir vernünftigerweise den Rückweg unter die Füsse nahmen.
Thomas wusste, wo's etwas zu finden gäbe wie Quarz, Adular und Amiant. Dessen Fundgebiet war rechterhand ein grosser Schuttkegel, dessen «Altlasten» in der oberen hälfte noch holperig in der vorsommerlichen Wärme dahinschmolzen. Man sah schon von weitem die fortgeschrittenen Arbeiten der Lawinenregulierung. Links und rechts des Lawinenkanals sind hohe Mauern aus grossen Felsblöcken aufeinander getürmt. Der Grund des Lawinenkanals ist auch mit grossen Felsblöcken gut ausstaffiert, auf denen man problemlos gehen kann. Thomas wollte so weit hinauf, wie er konnte.
Joel, sein Sohn, blieb an einem grossen Felsblock haften, der, wie's den ersten Anschein machte, mit 1 bis 1,5 cm grossen Rissen durchzogen war, die mit Amiant, kleinen Quarzen, und einer Menge der vielfältigsten Adulartürmchen übersät waren. Doch zuerst wollte ich Thomas nachstapfen, der schon ganz hinten den Altschnee überschritten und den feuchten Fels- und Schotterhang erstiegen hatte. Ich rief ihm zu, ob er schon etwas gefunden habe. Nichts. Weiter oben ging's eh nicht. Also zurück. Joel hämmerte und hämmerte an den Amiantrissen herum und hatte auch kleine Erfolge. Joels Arm wollte nicht mehr und zog sich für eine Gamepause zurück.
So versuchte auch ich mein Glück und hämmerte mal da, mal dort, in der Hoffnung, die Amiantspälten täten sich noch etwas auf. So konnte ich hin und wieder einige Matrixstücke vorsichtig wegspitzen, auf denen jene zierlichen Adulartürmchen aus dem Amiant keck hervor guckten. Auch hier war eine örtliche Reinigung ausgeschlossen. Vorsichtig wickelte ich meine Kleinode in Papiertaschentücher und Rollenpapier ein.
Der mittlere Nachmittag rückte näher. Wir mussten uns noch ein günstiges Hotel suchen. Doch das schien eher schwer zu sein als leicht! Da es noch keine Saison war, müsste doch etwas preisgünstiges aufzugabeln sein! Thomas wollte noch auf der Rückfahrt einen kurzen halt an der Lonza machen. So gingen wir dem Wildwasser entlang und nahmen mit dem Feldstecher, den ich mitgenommen hatte, das gegenüber liegende Felsufer in Augenschein. Tatsächlich entdeckten wir eine alte, ausgeräumte Kluft. Ich versuchte jene Kluft mit der Kamera so nah wie möglich zu zoomen. Es hatte den Anschein, als hafteten an der Kluftdecke (wohl stark chloritisierte) Kristalle, die es wohl nicht mehr wert waren, weggespitzt zu werden.
Kluftreiche Zone am Ufer der Lonza
Da wir auf der falschen Seite der Lonza standen, um jene Kluft aus nächster nähe zu betrachten, mussten wir wohl oder übel Abschied nehmen.
Der späte Nachmittag schritt nun wacker voran. Wir hatten nun genug und wollten nur noch eine schlichte und saubere Unterkunft! Nur eben, wo? Das Lötschental schien nicht gesegnet zu sein mit schlichten Hotels. In Blatten war das erste Hotel noch geschlossen. Weiter zu Hotel Nr. 2 . Wir traten ein. Schummrig war's und muffige alte Luft stieg uns in die Nase. Uns wurden die Zimmer gezeigt.
Wie viel sollen sie kosten? Einer- und Zweierzimmer zwischen 98 und 110 Franken. Phuuu! Die Hotelbesitzer schienen nicht besonders interessiert zu sein, einen Zwischensaisonpreis zu gewähren. Wir empfahlen uns und fuhren weiter. In Ferden - die letzte Chance! Noch ein Hotel. Doch innen konnte von Hotel keine Rede mehr sein! Schon unten in der «Reception» (Bar) mutete es eher wie eine Spelunke an, als wie ein sauberes und schlichtes Hotel! An der Bar sassen uns standen einige Arbeiter, die schon ziemlich einen intus hatten. Prost! Der Hotelier, der eher einem Strassenarbeiter glich, war wohl Vater einer - wie sich im 1. Stock zeigte - grossen Kinderschar. Denn man musste halbwegs über zwanzig paar Kinderschuhe, nebst Erwachsenenschuhen, steigen! Jener «Hotelier» hatte eine - wohl neu angestellte - «Fachfrau» die uns die Zimmer zeigen musste und vorne und hinten nicht draus kam. So wurde uns erst ein «Zimmer» gezeigt, an welchem sich die Tür kaum öffnen liess und das einer Besenkammer verblüffend ähnlich sah! Und... wieviel?...85 Fr. Ich dachte: Für diese Besenkammer! Thomas hatte auch sein Zimmer angeschaut. Danke, wir überlegen es uns noch mal. Auf Wiedersehen!
Thomas und Sohn Joel haben sich von mir verabschiedet und sind nach Hause gefahren.
Als ich mich satt gesehen hatte an den vielen schönen Kristallen und Mineralien, verabschiedete auch ich mich von Werners Frau. So fuhr ich wieder - statt über den Lötschberg - über die Grimsel. Auf der Passhöhe hatte es noch üppige Schneemassen, die nun endlich dahischmelzen wollten. Auf der ganzen Route kam ich gut voran. Zurück, über den Brünig, Luzern, Sursee, Willisau, Huttwil erreichte ich Grossdietwil. Ende gut, alles gut!
Dieser Erlebnisbericht wurde in der Zeitschrift "Mineralienfreund" Ausgabe 04 / 2014 publiziert. Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis des Verfassers.